Vergangenen Montag vor 24 Jahren wurde an der Ecke Gützkower Straße zu Neunmorgen-/Scharnhorststraße Klaus-Dieter Gerecke ermordet. Um ihm zu gedenken und über die Hintergründe des Mordes und die Kontinuitäten rechter und sozialdarwinistischer Gewalt aufzuklären, fand am Montag an der Straßenecke ein Gedenken mit Reden unter anderem zum Leben von Klaus, der Strafverfolgung der Mörder*innen und der Reaktion in der Stadt damals statt.
Weitere Infos gibt es in Form der Wandzeitung am Ende des Beitrags und unter:
https://www.kein-vergessen-mv.de/klaus-dieter-gerecke/
https://www.kein-vergessen-mv.de/sozialdarwinismus-als-staerkstes-motiv/
Der Text der Wandzeitung:
Zum Gedenken an Klaus Dieter Gerecke – „Kläuser“ – totgeprügelt, 24.06.2000:
Vor 24 Jahren wurde „Kläuser“ hier von drei Jugendlichen totgetreten.
Er war 47 Jahre alt, Wohnungslos und stadtbekannt.
Viele Greifswalder*innen regierten bestürzt und solidarisch. Es gab eine offizielle Gedenkfeier und einen Gedenkstein.
Aber das Erinnern an „Kläuser“ hat keine Beständigkeit. Das Ausgrenzen, Abwerten und Kriminalisieren von Menschen schon. Seit dem Nationalsozialismus, in dem Menschen, mit dem Begriff „Asozial“ versehen, gejagt, gequält, eingesperrt und ermordet wurden. Sowohl im Osten als auch im Westen wurden und werden Menschen ohne Erwerbsarbeit, ohne Wohnung, ohne Geld, Menschen die sich nicht nahtlos in die geltenden Normen eingefügen, ausgegrenzt, abgewertet, verfolgt, zur Zwangsarbeit verpflichtet und eingesperrt.
Nicht zufällig hat es 75 Jahre gedauert bis diese Opfer des Nationalsozialismus von der Bundesregierung offiziell anerkannt wurden. Sie wurden nicht vergessen wie an vielen Stellen behauptet, denn Vergessen ist ein passiver Prozess. Sie wurden aktiv verleugnet und ignoriert. Sie werden es auch heute noch.
Vor 24 Jahren wurde „Kläuser“ hier von drei rechten Jugendlichen totgetreten.
Es war nicht der erste gewaltsame Tod eines Wohnungslosen, und es wird weitere geben, wenn die Täter*innen nicht zur Rechenschaft gezogen, die Taten nicht einem rechtsradikalen Gedankengut zugeordnet werden. Wenn die Opfer keine Aufmerksamkeit erhalten, die Augen vor den Taten verschlossen oder diese nicht erinnert werden.
Wer „nie wieder“ sagt, sollte „nie wieder“ meinen. Wer „nie wieder“ sagt und meint, muss sich mit sich selbst und dem eigenen sozialen oder rassistischen Überlegenheitsdenken auseinandersetzen. Sich über eine Gesellschaft Gedanken machen, in der der Wert eines Menschen mit seiner Position, seinem Reichtum, seiner Arbeit verbunden ist oder der Tatsache eine Wohnung zu haben.
Gerade heute, gerade hier. In Greifswald, in Mecklenburg-Vorpommern, in Deutschland, in Europa und weltweit, wo rechtsradikales Denken und Handeln sich ungebremst ausbreitet. In den Köpfen, auf den Straßen und den Parlamenten.
Deswegen werdet aktiv gegen die Ausbreitung rechter Gedanken:
* widersprecht rassistischen Äußerungen oder wenn gegen „Hartzer“ gehetzt wird
* diskutiert mit Menschen außerhalb eures engen Umfeldes, macht linke Positionen hörbar
* helft Menschen, die Essen, einen Schlafplatz oder ein Ohr zum Reden brauchen
* entfernt rechte Propaganda
* greift ein, wenn jemand auf der Straße angepöbelt oder angegriffen wird
* unterstützt Menschen, die von der Polizei bedrängt werden